Situation 1: Ich bin auf einer Party, irgendwo in Köln-Ehrenfeld. Gleich wird sie kommen, die Frage, wo ich eigentlich herkomme. Spätestens wenn ich das Kölsch ablehne und betone, dass ich kein Kölsch trinke. „Bist du etwa aus Düsseldorf?“ ist daraufhin meist die halbscherzhaft gemeinte Reaktion, gefolgt von einem langgezogenen und extra arrogant betonten „ooooh Düüüüüsseldorf“, wenn ich meine Heimatstadt nenne.
Situation 2: Ich stehe beim Kölner Traditionsbäcker (der mit dem gelben M) in der Schlange und flüstere vor mich hin „Weckchen, sag Weckchen, dann fällt nicht auf, wo du herkommst“. [Weckchen, auch bekannt als Stütchen, nennt man in Düsseldorf Mürbchen – aber eben auch nur in Düsseldorf].
Situation 3: Ich bin beim Bürgerarmt und will mich in Köln anmelden. Die Beamtin sagt zu mir „Oh, na endlich sind Sie in der richtigen Stadt gelandet“.
Als „Düsseldorfer Mädsche“ wächst man mit der „besonderen Beziehung“ zu Köln, der sogenannten verbotenen Stadt, auf. Schon in der Grundschule lernt man, dass, der Legende nach, der Turm der Lambertuskirche so schief ist, weil der Teufel so sauer war, dass die Düsseldorfer standhaft blieben und kein Kölsch trinken wollten, dass er kurzum die Kirche rausreißen wollte (was ihm offensichtlich nicht gelungen ist).
Die Rivalität zwischen Düsseldorf und Köln geht tief und ist vielschichtig: im Sport, beim Bier und im Karneval wird sich duelliert. In den Rheinischen Derbys spielen wahlweise die Kölner Haie gegen die DEG im Eishockey, Fortuna gegen den Effzeh im Fußball oder die RheinStars gegen die Düsseldorfer Giants im Basketball.
Auch beim Genuss eines kühlen Blondes herrscht ein Wettstreit. Während man im linksrheinischen Köln Kölsch trinkt, kommt in Düsseldorf dunkles Alt ins Glas. Wer nicht hochkant aus dem Brauhaus fliegen möchte, der sollte nicht den Kardinalfehler begehen und in der jeweiligen Stadt das falsche Bier bestellen. „Plörre aus dem Rhein verkaufen wir hier nicht“ könnte vermutlich die noch harmlosere Antwort des Köbes sein. Auch in Sachen Karneval herrscht Konkurrenz. Ein beherztes „Alaaaaaaaaaf“ schreien die Jecken in Köln, in Düsseldorf hört man in der fünften Jahreszeit dagegen „Heeelaaaauuu“. Wer als Zugezogener nicht negativ auffallen und prompt zurechtgewiesen werden will, der sollte den Karnevalsruf auf keinen Fall verwechseln.
Glaubt man der Legende, so hat die scherzhaft gemeinte Feindschaft zwischen Köln und Düsseldorf ihren Ursprung in der Schlacht von Worringen von 1288, in der der Kölner Erzbischof gegen den Grafen von Berg kämpfte. Letzterer gewann die Schlacht und verlieh Düsseldorf anschließend die Stadtrechte. Historisch korrekt ist das allerdings nicht. Düsseldorf war zu dem Zeitpunkt ein kleines Dorf mit wenigen hundert Einwohnern und Köln die größte und bedeutendste Stadt im Deutschen Reich.
Richtige Konkurrenten auf Augenhöhe waren die beiden Städte erst zur Zeit der Industrialisierung. Düsseldorf, im 17. Jahrhundert mittlerweile dank Anna de Medici, der zweiten Ehefrau von Kurfürst Jan Wellem, zur schönen Residenzstadt mit kulturellem Anspruch aufgestiegen, etablierte sich „zum Schreibtisch des Ruhrgebiets“. Viele Eisen und Stahl produzierende Betriebe wie Thyssen, Krupp und Mannesmann, hatten hier ihren Verwaltungssitz. Die Kölner, die durch den Handel viel Geld verdienten und so den Einstieg in die Industrialisierung verpassten, ärgerten sich.
Noch größer wurde der Ärger als Düsseldorf von den Briten nach Weltkriegsende zur Landeshauptstadt von NRW auserwählt wurde und eben nicht das benachbarte Köln – eine Schmach, wie der damalige Oberbürgermeister Konrad Adenauer empfand (und in einem Artikel des Kölner Stadtanzeigers auch öffentlich kundtat).
Die andauernde Hassliebe führt auch zu manch kreativen Einfällen. Neben unzähligen Geschenkartikeln wie Postkarten, Taschen und T-Shirts, die die besondere Beziehung humoristisch aufgreifen, wird etwa in Monheim, auf neutralem Boden, in einer kleinen Biermanufaktur seit 2018 „Költ“ gebraut – ein Bier, das so süffig wie Kölsch und so würzig wie Alt schmecken will. Quasi eine Art Friedensangebot, das im gesamten Rheinland getrunken werden kann.
Ob Kölner und Düsseldorfer irgendwann die gepflegte Hassliebe ad acta legen werden? Wohl kaum. Warum auch, ein bisschen Konkurrenz schadet ja nicht. Und bekanntlich neckt sich, was sich liebt. Oder um es im lokalen Dialekt zu sagen: M’r sein em Hätze endoch all Rheinländer.